Der Weihnachtskater

von Silke R. Plagge

Ekki ist der Weihnachtskater. Wie er das Haustier des Weihnachtsmannes wurde? Nun, das hier ist seine Geschichte (Vorlesezeit rund 4 Minuten)

Der Weihnachtsmann wollte wirklich gar kein eigenes Haustier. Die Rentiere reichten ihm vollkommen. Wie immer in der Adventszeit war er schwer beschäftigt: Der Schlitten musste geputzt werden, der rote Mantel brauchte einen Flicken und die molligen Handschuhe konnte der Weihnachtsmann nirgendwo finden. Schimpfend sah er in allen Ecken nach. Unter dem Bett, in allen Schubladen. Sogar in der Küche. Schließlich ging er in die Geschenkekammer. Die eifrigen Wichtel hatten schon die Wunschzettel der Kinder hingelegt. Alles wartete nur auf den magischen Zauberspruch des Weihnachtsmannes, damit sich die Kammer mit den Geschenken für alle Kinder der Welt füllte. Auf der Suche nach den Handschuhen halfen die Wichtel, so gut sie konnten. Aber sie waren recht klein. Also musste der Weihnachtsmann wohl oder übel selbst in die hohen Regale blicken.

Einige waren so hoch, dass auch er nicht hineinsehen konnte, er streckte die Hand aus und tastete die Fächer ab. Da, er fühlt etwas Flauschiges. Der Weihnachtsmann zog kräftig daran – ein lautes Gefauche, der Weihnachtsmann konnte gerade noch eine enorme Menge gelben Felles sehen und schon brach ein Tumult aus. Alle Wichtel liefen durcheinander. „Wo kommt die dicke Katze her?“ „Und wo ist sie jetzt?“ Der Weihnachtsmann bückte sich, um nach der Katze zu sehen. Und fand die roten molligen Handschuhe hinter einer Kiste mit Geschenkpapier.

„Alles Stress, habe ich mir nur eingebildet,“ murmelte er in seinen Bart und stapfte wieder in seine Stube. Er schüttelte den Kopf und machte sich an die Planung der diesjährige Reiseroute. Vorher brühte er sich noch rasch eine Tasse Zimttee –   zur Stärkung. Auf dem Tisch hatte er seine Landkarten ausgebreitet und der Weihnachtsmann ließ sich mit einem wohligen Seufzer auf seinen Lieblingsstuhl plumpsen. Da fauchte es schon wieder los. Verwundert starrte der Weihnachtsmann die dickste gelbe Katze an, die er je gesehen hatte. Die Katze starrte zurück.

Vorlesegeschichte

Ekki – der Weihnachtskater © nekomachines, pixabay

„Wer bist du denn?“ fragte der Weihnachtsmann. „Ich bin Ekki. Ich wohne hier,“ erklärte der Kater wie selbstverständlich. „Seit wann denn das?“ fragte der Weihnachtsmann verwirrt. „Seit dem letzten Weihnachtsfest. Du hast mich einfach vergessen,“ sagt der Kater und blickte den Weihnachtsmann ziemlich böse an. Da war doch etwas? Ja, die Geschichte von der kleinen Marie! Die hatte sich sehnsüchtig eine ganz besondere Katze gewünscht. Der Weihnachtsmann war sich auch sicher, dass er einen kleinen Kater her bei gezaubert hatte, der extra eine schöne kleine Transportkiste bekommen hatte. Aber als er in Maries Wohnung stand und in seinen Sack griff, war da nichts. Marie bekam nur ein Buch und eine CD. Dem Weihnachtsmann war schon lange nichts mehr so unangenehm gewesen, wie Maries trauriges Gesicht.

„Wieso bist du hier‘?“ fragte er den Kater. „In der blöden Kiste gab es nichts zu essen, da musste ich erst in die Küche schleichen. Und als ich wieder zurück wollte, da warst du einfach schon losgefahren. Dann bin ich eben geblieben.“ Der Weihnachtsmann sah den Kater an. So dick wie der war, hatte er offensichtlich das ganze Jahr nur gefressen und geschlafen. Und das im Regal in der Geschenkekammer.

„Was mache ich denn jetzt mit dir?“ fragte der Weihnachtsmann. Er hatte Maries neuen Wunschzettel schon gelesen. Sie wollte jetzt nämlich gar keine Katze mehr. Sie wollte viel lieber eine Babypuppe, die man richtig füttern kann. Aber das mochte er dem Kater nicht erzählen. Kein Kind auf der Welt hatte sich einen dicken, verfressenen gelben Kater gewünscht. „Das ist die falsche Frage,“ meinte der Kater. Und er sah den Weihnachtsmann aus seinen schönen bernsteinfarbenen Augen an. Er hüpfte erstaunlich elegant auf den Schoss des Weihnachtsmannes, rollte sich dort zusammen und begann laut und kräftig zu schnurren. Der Weihnachtsmann wusste gar nicht recht, wie ihm geschah – er begann den Kater zu streicheln und zu kraulen. Und plötzlich merkte er, dass er sich selbst warm und wohlig fühlte. Ganz ohne Zimttee. Er schloss die Augen und spürte, wie Ekkis entspannte Haltung ihm gut tat.

Der Weihnachtsmann blieb ganz lange sitzen, ganz still, streichelte den weichen warmen Kater. “Was meinst du, Ecki: willst du nicht hierbleiben und der Kater des Weihnachtsmannes werden?“ „Das ist die richtige Frage“, erklärte der dicke Kater Ekki und schnurrte laut vor Zustimmung. Und so blieb Ekki beim Weihnachtsmann. Die beiden erlebten noch viele aufregende Geschichten, doch davon soll ein anderes mal mehr erzählt werden …

#metoo: Leider eine nötige Debatte

#metoo – ich auch. Diese zwei Worte, in Englisch, mit einem Hashtag versehen, sind immer und immer wieder im Internet zu lesen. Als ich die ersten Posts befreundeter Amerikanerinnen las, konnte ich das erst nicht einordnen. Wie? Ich auch? Doch dann las ich, was die Aktion bedeutet. Die Idee, die dahinter steckt: Jede Frau, die sexuelle Belästigung oder sexuelle Übergriffe erfahren hat, sollte die zwei Worte posten. Damit sichtbar wird, dass solche Vorfälle keine Ausnahmen sind.

Innerhalb kürzester Zeit waren die zwei Worte fast überall zu lesen. Einige Frauen schrieben nur das. Andere schilderten einiges, was sie erlebt haben. Mich hat die Anzahl der betroffenen Frauen nicht verwundert. Laut einer Studie von 2014 hat in Europa jede zweite Frau körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Wie viele auch verbal belästigt wurden? Viele, sehr viele.

#metoo in Deutschland: Die Opfer werden angegriffen
Im letzten Jahr habe ich darüber geschrieben, wie wichtig es ist, Schweigen zu brechen. Und Verena schrieb über Übergriffe im Kleinen. Mir ist es damals sehr schwer gefallen, auch öffentlich über das eigene Erlebte zu berichten. Das war gar nicht so mutig. Es war vor allem nötig. Das zeigt auch die aktuelle Diskussion. Denn schon wieder werden die Frauen angegriffen, die von Vorfällen berichten. Auch von anderen Frauen. Das macht mich richtig wütend. Denn genau darum sollte es nicht gehen: Ein Leid gegen ein anderes Leid aufwiegen. Nur weil ich selbst etwas erlebt habe, das wirklich ein Straftat war, das bedeutet doch nicht, dass ich nicht verstehen kann, wie unangenehm sich eine Frau fühlt, wenn ihr Vorgesetzter immer wieder Anzüglichkeiten ausspricht. Oder der Nachbar ihr ständig auf die Brust guckt. Das eine ist nicht mit dem anderen zu vergleichen.

Ähnlich sehe ich es auch, wenn sich Männer zu Wort melden, die Opfer sind. Auch das ist wichtig. Und sollte nicht kleingeredet werden. Aber junge Männer werden nicht von ihren Vätern vor dunklen Ecken gewarnt, sitzen im Bus immer vorn beim Fahrer und werden insgesamt sehr viel weniger auf ihre körperlichen Attribute angesprochen. Kaum eine Frau hat nicht schon mal lautstarke Kommentare zu ihrem Äußeren gehört. Manchmal mag das schmeichelhaft sein, manchmal einfach blöd – ob es übergriffig ist, dass sollte die Frau selbst entscheiden. Wichtig ist, dass die Debatte um #metoo sensiblisiert.

Die Diskussion um #metoo in Deutschland – leider noch immer nötig
Es ist wichtig mit #metoo ein Zeichen zu setzen. Denn es ist notwendig, dass Frauen und Männer darüber sprechen, wo die Grenzen verlaufen. Ein zotiger Witz kann im Kollegenkreis lustig sein. Aber er ist es dann nicht mehr, wenn er mit der Absicht zu verletzen erzählt wird. Ein Umdenken kann erst dann stattfinden, wenn andere nicht mehr mitlachen. Laut werden. Wenn jeder weiß, dass ein bestimmter mächtiger Mann seine Position missbraucht, aber keiner etwas sagt, dann sind auch die Schweigenden verantwortlich. So wie im Fall Weinstein. So wie in vielen Fällen.

Ich möchte, dass meine Tochter nicht überlegen muss, ob ihr Rock zu kurz ist. Sie soll sich als schöne junge Frau fühlen dürfen und nicht überlegen, ob sie damit provoziert. Ohne Nachzudenken allein durch Straßen laufen können. Und ich möchte, dass mein Sohn keine Sprüche unter Kerlen zu hören bekommt, dass Frauen doch „Nein“ sagen und „Ja“ meinen.

Ich will keine Filme mehr sehen, in denen Frauen sich erst zieren und „es“ dann doch wollen. Und Männer ständig wollen und können. Die Macker-Sprüche, die derben Zoten. Ich wünschte sehr, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Aber noch hat das Umdenken nicht in allen Köpfen stattgefunden. Noch lange nicht. Und darum finde ich es gut, wenn Opfer ihr Schweigen brechen und mit #metoo zeigen, wie viele Menschen schlimme Erfahrungen machen mussten.

Es sind keine Einzelfälle. Keines der Opfer sollte sich allein fühlen. Und jede und jeder, der sich belästigt oder angegriffen fühlt, sollte sich ernst genommen fühlen. Darum ist die Debatte auch hier in Deutschland bitter nötig. Noch immer. Immer wieder.

(Dieser Beitrag wurde im Oktober 2017 zunächst im Blog 40-something.de veröffentlicht)

Schreiben über Hirnhautentzündung

Ich war drei Jahre alt, als ich an einer Meningitis erkrankte. Über vierzig Jahre später habe ich über diese Krankheit geschrieben. Die australische Fotografin Anne Geddes zeigte eine Ausstellung in Hamburg über Kinder, die eine schwere Form der Meningokokken-Hirnhautentzündung überstanden hatten.

drei

An meinem dritten Geburtstag ahnte ich noch nicht, dass ich ein paar Monate später schwer erkranken würde. Ich hatte Glück, meine Mutter war Krankenschwester und erkannte die Zeichen der Krankheit und fuhr mich in die Klinik. Ich war fast vier Wochen im Krankenhaus. Die ersten Tage isoliert. Das bedeute 1973, dass ich ganz allein sein musste, meine Eltern durften mich nur durch ein Fenster sehen. Das ist tatsächlich meine erste bewusste Erinnerung: ein weißer Bettbezug, ein riesiges Bett, weiße Wände und meine Eltern, die mir durch ein Fenster zu winken. Ich fühle mich klein und ängstlich. Warum bin ich so allein?

Nach vier Wochen war ich wieder zuhause. Gesund. Der heute 8jährige Elias, den ich auf der Ausstellung von Anne Geddes mit seiner Familie kennenlernen durfte, hatte nicht so viel Glück. Mich haben diese wunderschönen Bilder von Anne Geddes beeindruckt. Auch, weil ich eines dieser Kinder hätte sein können. Weil ich Jahre später noch mal der Krankheit in meinem engsten Umfeld begegnen musste und weiß wie schrecklich schnell sie verlaufen kann.

Fotografin Anne Geddes mit Elias und seiner Familie - und mir am Bildrand © Novartis / Ketchum Pleon GmbH

Fotografin Anne Geddes mit Elias und seiner Familie – und mir am Bildrand © Novartis / Ketchum Pleon GmbH

Für das Online-Magazin liliput-lounge habe ich über die Fotoprojekt von Anne Geddes geschrieben. Für mich stellte sich bei der Recherche ein Problem: wie sollte ich einerseits über die Krankheit informieren, anderseits aber auch von Anne Geddes und den Kindern, die bei ihrem Projekt mitgewirkt haben, berichten? Ich habe ein langes Interview mit der Fotografin geführt. Habe von ihr nicht nur viel über ihre jungen Helden, sondern auch viel über ihr authentisches Engagement erfahren. Welches ist ihre Lieblingsblende, habe ich sie gefragt. Sie hat herzhaft gelacht. Sie nutze immer die Blende, die gerade passend sei, sagte sie. Ihre Bilder sind wirklich komponiert und das hat mich beeindruckt. Sie zeigte mir die vielen Symbole, Wasserzeichen, winzige Details.

Aber mein Auftrag war kein Portrait von Anne Geddes. Ich hatte schon einmal über sie geschrieben – allerdings „kalt“, ich konnte mich ihr zunächst nur aus anderen Interviews und ihren Büchern nähern. Ich habe letztlich nicht über meine persönlichen Erfahrungen mit der Hirnhautentzündung geschrieben – ich entschied mich in Rücksprache mit der Redaktion für zwei Artikel. Einen eher sehr sachlichen und einen Artikel, der dann am Weltmeningitis-Tag am 24. April erschien und von den Portraits der Kinder erzählt. Irgendwie ahne ich, dass ich irgendwann wieder über dieses Thema schreiben werde…

Artikel „Mutige Überlebende – Kinder mit Meningokokken-Erkrankungen im Portrait von Anne Geddes“ im Eltern-Magazin liliput-lounge

Artikel „Meningokokken und Meningitis – wichtige Informationen für Eltern“ im Eltern-Magazin liliput-lounge

 

Nachgefragt: Familie und Beruf

140 Zeichen zeigen, dass Vereinbarkeit noch immer keine Selbstverständlichkeit ist. Interessant: zuerst haben nur von Frauen auf meine Twitterfrage geantwortet:

Es gibt nun doch Männer, die sich zu Wort melden…